Institut für Systematische Theologie

Forschung

Zwischen Tun und Lassen

Zwischen Tun und Lassen. Gegenwärtige Selbstoptimierungsstrategien im Licht des reformierten Locus der Heiligung mit Schwerpunkt auf dem Heiligungsverständnis Karl Barths

«Du musst dein Leben ändern!» Peter Sloterdijk trifft mit diesem Imperativ mitten ins Mark des modernen Menschen. Wir werden das dringende Gefühl nicht los, dass sich in unserem Leben etwas ändern müsste und wir noch mehr aus ihm machen könnten. Im Stachel der permanenten Selbstoptimierung und -steigerung drängt ein technologisches Primat im Blick auf den Menschen durch. Die zunächst banale und harmlose Erfahrung, dass Leben ein Wachsen und Werden ist, bekommt eine folgenschwere Wendung durch Einimpfung von Idealen, die sich an ständig zu steigernder Leistung und ökonomisch-utilitaristischen Logiken orientieren. Menschliches Leben ist nicht an sich gut, sondern indem es zu etwas Bestimmtem gemacht wird.

Der Imperativ der Arbeit am «Selbst» bilden den Ausgangspunkt für die Frage, inwiefern der in der reformierten Tradition so gewichtige Locus der Heiligung und mit ihm die Reflexion über das christliche Leben in gegenwartshermeneutischer Absicht ins Spiel gebracht werden können. Der Begriff ‹Heiligung› trägt Bedeutungsassoziationen von (Selbst-)Vervollkommnung, Verbesserung, Perfektionierung oder gar Vergöttlichung des glaubenden Subjekts in sich. Inwieweit ist also Heiligung tatsächlich eine Form der Selbstoptimierung, die zu einem Ideal der moralisch-ethischen Gottähnlichkeit führt? Müssten also aus einer christlichen Perspektive Fortschritte in der menschenverbessernden Biotechnologie begrüsst werden? Oder ist das Gegenteil der Fall?

Im Zentrum meines Projekts steht die Frage nach der diskursiven Kompatibilität einer reformierten Heiligungslehre – im Speziellen der Barth’schen – an die Arbeit am Selbst. Wo ergeben sich Überschneidungen oder wechselseitige Impulse und wo treten beide Perspektiven als unter Umständen reziproke kritische Regulative hervor? Dem Projekt liegt eine doppelte Erkenntnisbemühung zugrunde: Konstruiert Barth Heiligung selbst als eine Form von Selbstoptimierung oder bietet er mit seiner Konzeption umgekehrt ein Werkzeug zur Dekonstruktion und Kritik der gegenwärtigen Selbstarbeits-Kultur und liefert Barths Heiligungskonzept das Antidot zum überfordernden Therapeutikum der Selbstverbesserung?

Das Projekt wird begleitet durch Prof. Dr. Magdalene L. Frettlöh und Prof. Dr. Frank Mathwig.